Neonazis, Incels und Kampfsport – Vortrag bei der Marburger Burschenschaft Germania
Vortrag über Sport und Körperkultauf der Nazivilla der Marburger Burschenschaft Germania am 22.10.2022: Wie Burschenschaften versuchen, auf den Fitnesshype aufzuspringen und sich gleichzeitig für den Straßenkampf zu schulen.
Die Burschenschaften der Deutschen Burschenschaft (DB) finden nur schwer Nachwuchs. Dieses Problem wurde zuletzt auch in der Verbandszeitschrift Burschenschaftliche Blätter diskutiert. Aus Marburger Burschenkreisen werden in Artikeln wie „Sport als Teil Burschenschaftlicher Gegenkultur“ (verfasst von Benjamin Haasis) Überlegungen angestellt, wie Burschenschaften den gesellschaftlichen Fitnessboom der letzten Jahre für sich nutzen und junge Männer werben können. Dabei bietet der Körperkult Anknüpfungspunkte für die Vorstellungen extrem rechter Kreise bezüglich soldatischer Männlichkeit und Wehrhaftigkeit.
Die Burschenschaft Normannia Leipzig zu Marburg, sowie die Marburger Burschenschaft Germania haben in den letzten Jahren damit begonnen, Sporträume für Kraft und Kampfsport auf ihren Häusern einzurichten. Deshalb wundert es nicht, dass sie extrem rechte Autoren und Coachs für Vorträge einladen. Am 22.10.2022 sprechen auf der Nazivilla der Marburger Burschenschaft Germania Max Reinhardt, unter anderem Autor für das extrem rechte Magazin „Krautzone“ und eine Mischung zwischen Personaltrainer und Life-Coach, sowie Marcus Follin, Schwedischer Neonazi-Blogger, Autor und Kampfsportler, der am „Kampf der Nibelungen“ teilnahm.1 Die Jungle World schreibt, der Incel-Aktivist Marcus Follin sei 2018 in Helsinki bei der Awakening-Konferenz als Sprecher geladen worden, gemeinsam mit US-amerikanischen Alt-Rightlern wie Jared Taylor und Greg Johnson.2
Reinhardt und Follin: Life-Coach und Incel-Wahn
Der Autor Max Reinhardt kann irgendwo zwischen Esoterik, Life-Coach und soldatischem Körperkult eingeordnet werden. Das Steckenpferd des Afghanistan-Veterans ist die „Selbstkontrolle“, wobei er auf alles einen Rat weiß, von kontrolliertem Alkoholkonsum bis zum bewussten Aktivieren bestimmter Gene und Zellen im menschlichen Körper. Auf seinen (mäßig erfolgreichen) Youtube- und Telegramkanälen gibt er sich gern gebildet, verkauft Binsenweisheiten als philosophische Erkenntnisse, oder gibt allgemeine Lebens- und Trainingstipps. Zudem schreibt er für die rechten Magazine „eigentümlich frei“ und „Krautzone“ und veröffentlicht diverse Bücher mit Titeln wie „Innere Sonne: Odinistische Selbstentwicklung“ oder „solarische Männlichkeit“.
Von größerer internationaler Bedeutung ist der zweite Referent, der schwedische Incel Marcus Follin. Er ist extrem rechter Kampfsportler in der Gruppe „Legio Gloria“, Bodybuilder und Youtuber mit großer Reichweite. Er kämpfte sowohl 2017, als auch 2020 beim „Kampf der Nibelungen“.3 Follin, auch bekannt als „The Golden One“, wurde als einer von mehreren ausgewählten Neonazi-Charakteren in dem 2018 von FaschistInnen entwickelten Computerspiel „Angry Goy II“ als zu spielende Figur mit dem Titel „modern Viking and slayer of beta leftists“ dargestellt. Ziel des Spiels ist es, möglichst viele als Feinde markierte Personen – Juden und Jüdinnen, queere Personen, Antifaschist*innen und People of Color – umzubringen.4 2018 sprach er auf dem „Paneuropa Kongress“ in Kiew, welcher der Vereinigung der „weißen Völker Europas“ dienen soll. Hier zeigen sich auch seine Verbindungen zum extrem rechten Asow-Regiment.5 Zu beiden Personen kann demnach festgehalten werden, dass sie ideologisch festigt und in Kampfsituationen geschult sind.
Balanceakt zwischen soldatischer Männlichkeit und Saufzwang
Die Marburger Naziburschenschaften der DB fallen seit Jahren mit gewalttätigen Übergriffen gegen Menschen auf, die nicht in ihr Weltbild passen. Dabei kommen auch Waffen wie Schlagstöcke und Pfefferspray zum Einsatz. Einige Beispiele:
Beispiel 1 // Beispiel 2 // Beispiel 3 // Beispiel 4 // Beispiel 5
Burschenschaften versuchen, an den gesellschaftlichen Fitness- und Gesundheitstrend mit ihrer Vorstellung von soldatischer Männlichkeit und einem „gesunden Volkskörper“ anzuknüpfen: Wehrhaftigkeit, Selbstdisziplin und Hypermaskulinismus sind nur einige Punkte ihrer sozialdarwinistisch-autoritären Phantasien. In ihrem Selbstbild wollen sie Körper und Geist bilden, um für den politischen Kampf um gesellschaftlichen Einfluss gerüstet zu sein. Dieses Selbstbild hat mit der Realität wenig gemeinsam. Besonders durch den hierarchisch organisierten, rigorosen „Saufzwang“ – das regelmäßige Konsumieren von Alkohol über körperliche Grenzen hinaus – zeichnet sich der körperliche Verfall bereits in den Jahren der Aktivenzeit deutlich ab. Aber auch der harte und empathielose Umgang der Burschenschafter untereinander hinterlässt psychische Spuren.
In diesem Kontext ist alarmierend festzustellen, dass Naziburschen im Besitz von legalen Schusswaffen sind.6 Im Dezember 2021 besuchten beispielsweise alle drei Marburger Naziburschenschaften gemeinsam einen Schießstand. Dass sie vor Gewalt nicht zurückschrecken, hat die Geschichte bereits mehrfach bewiesen. Deshalb erfüllen solche Vorträge zwei Funktionen: Einerseits wird der Fitnesstrend genutzt, um Nachwuchs zu erreichen. Andererseits ist er eine Schulung für den Kampf gegen Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen und als politische Feinde markiert werden.
Nazis Entwaffnen! Antifaschistischen Selbstschutz Organisieren! Nazivillen dicht machen!
1 Siehe https://runtervondermatte.noblogs.org/neuigkeiten-von-der-matte-2/.
2 Siehe https://jungle.world/artikel/2020/06/nordische-netzwerke.
3 Siehe https://exif-recherche.org/?p=6760.
4 Siehe https://angrywhitemen.org/2018/11/18/marcus-follin-falsely-blames-leftists-for-making-him-a-playable-character-in-a-neo-nazi-video-game/.
5 Siehe https://runtervondermatte.noblogs.org/der-weisse-koenig-im-neuen-schloss-kampfsport-als-teil-paramilitaerischen-trainings-in-der-ukraine/.