Verwobene Seilschaften

Das Netzwerk der „Deutschen Burschenschaft“ in der extremen Rechten

Original hier veröffentlicht am 9.November 2019 in der Lotta #76
Ausgabe: http://lotta-magazin.de/ausgabe/76
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Für die Frage, welche Rolle die „Deutsche Burschenschaft“ als Organisation innerhalb der extremen Rechten einnimmt, eignet sich am Besten ein analytischer Blick auf das Netzwerk. Dadurch können Effekte, komplexe Verbindung und Taktiken, aber auch Konflikte und Bruchlinien genau analysiert und Gegenstrategien entwickelt werden.

Allgemein gesprochen definiert sich ein Netzwerk durch verschiedene Elemente, die auf unterschiedliche Art und Weise miteinander verbunden sind. Manche Netzwerke sind um ein Element herum aufgebaut, andere haben ein Zentrum aus mehreren Elementen oder gar keines. Netzwerke brauchen eine gemeinsame Basis, Beziehungen zwischen den AkteurInnen und immer wieder aktuelle Anlässe, sich zu bilden und zu bestätigen. Wir gehen davon aus, dass sich die extreme Rechte am besten als Netzwerk analysieren lässt und es sich lohnt, die verschiedenen AkteurInnen und ihre Wechselwirkungen anzusehen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Analyse der Synergieffekte. Synergieeffekt bedeutet, dass sich die beteiligten AkteurInnen durch die Zusammenarbeit ergänzen, unterstützen und in ihrem Sinne effektiver werden, das heißt, sie können ressourcenschonender und personaleffektiver arbeiten und somit ihre Reichweite erhöhen. Unser Fokus liegt auf der Deutschen Burschenschaft (DB) mit ihrer Einbettung in das Netzwerk der extremen Rechten. Es gibt auch Verbindungen der DB ins konservative Milieu, diese sind jedoch nicht Teil dieses Artikels.

Für die Netzwerkeffekte der DB ist das Lebensbundprinzip von großer Relevanz. Die Männer sind nicht nur in ihrer Studienzeit, sondern tendenziell ihr Leben lang Mitglied der Verbindung. Auch in Zeiten, in denen sich ihr Wirkungskreis beruflich und privat teilweise sehr ausweitet.

Die „Alten Herren“ und die aktiven Burschenschafter verbindet dabei nicht nur ihr gemeinsames politisches Weltbild, sondern auch gemeinsame Sozialisationserfahrungen, wie zum Beispiel ritualisiertes Trinken und Singen in der Kneipe oder geschlagene Mensuren. Die „Alten Herren“ und die aktiven Burschen kommen neben sonstigen Besuchen auf dem Haus mindestens einmal im Jahr zusammen: beim jährlichen Burschentag. Die gelebte und teilweise lebenslange Verbundenheit lässt Unvereinbarkeitsbeschlüsse und verbale Abgrenzungen der Bünde oder deren Dachverbände obsolet werden, denn trotz dieser Abgrenzungen kommen die einzelnen Rechten in burschenschaftlichen Kontexten zusammen und tauschen sich aus. Durch das Gemeinschaftsgefühl wird nicht nur der Dachverband gestärkt, er sorgt auch dafür, dass der Zusammenhalt innerhalb des Netzwerkes über ihn hinaus zusammen wächst.

Ein Beispiel für die Vernetzung von Burschenschaften mit der extremen Rechten ist die Veranstaltung mit Alain de Benoist auf dem Haus der Marburger Burschenschaft Germania. Bei dieser Veranstaltung waren beispielsweise VertreterInnen der Partei Der III. Weg, der „Identitären“, NPD, AfD und Jungen Alternativen (JA) anwesend (Siehe Lotta# 73, S. 31 f.).

Spektren, Organisation und Personen des Netzwerkes

Die Verbindungen der DB bestehen in die „Neue Rechte“, den Neonazismus, die christliche Rechte und in Richtung Rechtsterrorismus. Dabei beschränkt sich das Netzwerk der DB nicht nur auf den deutschsprachigen Raum, sondern ist international. Belege hierfür sind etwa Vorträge von Philip Stein und Marcel Grauf bei Casa Pound in Italien, über die die Informationsplattform Sachsen-Anhalt rechtsaußen (https://lsa-rechtsaussen.net) und KONTEXT:Wochenzeitung berichteten.

Die Vernetzung aus der DB in das Spektrum der „Neuen Rechten“ lässt sich exemplarisch an Patrick Bass, Mitglied der Burschenschaft Germania Marburg, zeigen, der unter dem Pseudonym Komplott Rapmusik für die „Identitären“ macht und etliche Male bei diesen auftrat. Bass ist auch ein Beispiel dafür, dass sich die „Neue Rechte“ nur formal von der neonazistischen Rechten abgrenzen lässt: unter dem Pseudonym „Subverziv“ produzierte er einen antisemitischen Mobitrack für den „Nationalen Antikriegstag“ in Dortmund 2012 (vgl. Lotta #66, S. 21—23). In dem Track heißt es: „Und dieser Staat da am Toten Meer mit dem Hexagramm stecken für Macht und Geld die ganze Welt in Brand“. Neben Patrick Bass sind mit Heinrich Mahling von der Germania Marburg und Philip Thaler von der Halle-Leobener Burschenschaft Germania (HLB Germania) weitere DB-Burschen hochrangige Kader bei den „Identitären“. Philip Stein, Pressesprecher der DB, Inhaber des faschistischen Jungeuropa Verlags und Leiter der Spendensammelorganisation Ein Prozent kann wohl als einer der aktivsten Netzwerker der DB bezeichnet werden. Er sprach nicht nur bei PEGIDA, sondern auch 2017 auf der Compact-Konferenz, wo das who-is-who dieses Spektrums zusammen kam. Das Institut für Staatspolitik (IfS) und die Zeitschrift Sezession sind enge WegbegleiterInnen der DB, was sich etwa durch die Rede von Götz Kubitschek auf dem Burschentag 2015 (vgl. LOTTA #60, S. 33 ff.) sowie auf den Häusern der zum völkischen Flügel der DB gehörenden Danubia München und der Germania Marburg zeigte. Philip Stein schreibt regelmäßig in der Sezession, Heinrich Mahling war Praktikant des IfS in Schnellroda. Auch in die AfD hat die Deutsche Burschenschaft zahlreiche Bezüge, allein aus der Germania Marburg sind mindestens fünf Mitglieder in leitenden Funktionen bundesweit aktiv: Torben Braga, Pressesprecher und Vorstandsmitglied der AfD Thüringen, Marcel Grauf, Mitarbeiter für die AfD im Landtag von Baden-Württemberg, Robert Offermann, Pressesprecher der AfD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft sowie Alexander Graudin als stellvertretender Vorsitzender und Ben Berressem als Beisitzer im Vorstand der AfD-nahen Friedrich-Friesen-Stiftung sowie als Landtags-Referenten in Sachsen-Anhalt.

Das Netzwerk der DB reicht auch zu Organisationen mit offenem NS-Bezug. Zu nennen ist hier das Der III.-Weg-Mitglied Till W., der bei den Rheinfranken Marburg und der Germania Marburg aktiv war, bevor er nach Halle zur HLB Germania zog. Bereits in jungen Jahren war er an einem Anschlag auf einen migrantischen Verein beteiligt, später reiste er nach Budapest, um dort am von Blood & Honour organisierten „Tag der Ehre“ teilzunehmen. In Halle kam es schließlich zum Eklat und Ausschluss aus der Burschenschaft, weil er entgegen vorheriger Absprachen die Adresse der Burschenschaft für offizielle Parteikommunikation genutzt haben soll. Auch zur NPD gibt es Kontakte, Marcel Grauf war vor seiner Tätigkeit bei der AfD dort Mitglied.

Zur christlichen Rechten kann ebenfalls eine Verbindung gezogen werden, auch wenn hier am Beispiel der Germania Marburg weniger Überschneidungen bekannt sind als bei der AfD. Nils G., Germania Marburg, war 2013 Deutschlandsprecher der „Identitären“, an der Gründung der Jungen Alternative Marburg-Biedenkopf beteiligt und schloss sich nach seinem Studium der rechten katholischen Piusbruderschaft an.

Zuletzt weisen wir noch auf die aktuelle Verbindung eines DB-Burschenschafters in den rechtsterroristischen Bereich hin. Im Juli 2019 ging ein geplantes Attentat auf Ursula von der Leyen in München durch die Medien. Beschuldigt in dem Verfahren ist Tobias L., der nicht nur JA-Funktionär, sondern aktuell auch Sprecher der Burschenschaft Makromannia Wien zu Deggendorf in Passau ist. Zuvor war er „Fux“ bei der Münchner Burschenschaft Cimbria.

Synergieeffekte

Beim Blick auf das extrem rechte Netzwerk rund um die Deutsche Burschenschaft fällt auf, dass verschiedene Elemente des Netzwerks verschiedene Aufgaben übernehmen und dabei Synergieeffekte zum Tragen kommen. Die AfD, die über Jobs, Infrastruktur und Geld verfügt, ist der parlamentarische Arm. Die Deutsche Burschenschaft bildet junges Personal aus, dem dort im Sinne der AfD Know-How und rechte Überzeugungen mit einem entsprechenden Demokratieverständnis vermittelt werden. Die „Identitären“ bieten ein Identifikations- und Mitmachangebot für ein jüngeres und aktiveres Publikum. Ein Prozent fungiert als wichtige Geldquelle. Die extreme Rechte mit offenem NS-Bezug ist attraktiv für jene, die die Camouflage-Taktik der „Neuen Rechten“ nicht mitgehen möchten. PEGIDA spricht ein älteres Protestpublikum an und ist als Imaginationsziel für Burschen nützlich, die mit ihrem elitären, avantgardistischen Selbstverständnis ein Volk brauchen, das sie anführen können. Für alle diese AkteurInnen ist die DB eine Kaderschmiede mit Häusern, einer Zeitschrift, wichtigen Kontakten, finanziellen Ressourcen und einer ausgearbeiteten völkischen Programmatik. Auf den Burschenhäusern wurde der gesellschaftliche Rechtsruck vorbereitet, jetzt wird er über das Netzwerk vorangetrieben. Dabei ist die DB in diesem Netzwerk nicht als ein weiterer Akteur unter vielen zu verstehen, sondern eher als Hintergrundrauschen. Die Organisation tritt relativ wenig als politischer Akteur in Erscheinung, ihre Personen sind jedoch — nach burschenschaftlicher Sozialisation — an zentralen Punkten im Netzwerk zu finden. Dem gesellschaftlichen Rechtsruck ging ein Rechtsruck der DB voran, bei dem der völkische Flügel seine Positionen innerhalb des Dachverbandes hegemonial durchsetzen konnte.

Dabei sind Mehrfachmitgliedschaften von Burschen kein Zufall, sondern Taktik. Dadurch können sie in andere Organisationen hineinwirken, gemeinsam mit einem relativ kleinen Kreis von Leuten Projekte planen und dadurch einen relativ hohen Wirkungsgrad ihrer Arbeit erreichen. Außerdem kann so staatlicher Repression durch Verlagerung weg von der DB hin zu anderen Organisationen ausgewichen werden. Die extreme Rechte als Netzwerk mit der Deutschen Burschenschaft als Hintergrundakteur zu analysieren, eröffnet die Möglichkeit, ihre politischen Strategien und Projekte besser erkennen zu können. Ebenso können dadurch Konflikte, Widersprüche, Schwachstellen und Kerben des Netzwerks besser erkannt werden, was für antifaschistische Gegenstrategien äußerst relevant ist. Die wirkungsvollste Methode, das Netzwerk zu schwächen, ist es, dieses zu entzweien, Keile zwischen die Spektren, Organisationen und Personen zu treiben und die taktische Nutzung der verschiedenen Organisationen von den gleichen Personen zu benennen (siehe LOTTA #74, S. 62 f.). Dabei ist es ein Fehlschluss, sich auf den Staat zu verlassen, sondern wirkungsvoller, selber aktiv zu werden und die Deutsche Burschenschaft als wichtigen Bestandteil der extremen Rechten zu erkennen, zu analysieren und zu bekämpfen.